Vertreter von immerhin 35 Nationen kamen zum diesjährigen Kongress der Cieca in Madrid zusammen, einer internationalen Kommission, die sich um die Belange der Fahrprüfung, der Fahrausbildung und der Verkehrssicherheit im allgemeinen kümmert. Im Zentrum der Ansprachen und Vorträge des umfangreichen Programms standen Fragen nach der Integration der Fahrassistenzsysteme in die Führerscheinausbildung und nach der Verwirklichung der ‘Vision Zero’. Damit ist nichts anderes gemeint als der Wunsch, eines Tages überhaupt keine Verkehrstoten auf unseren Straßen mehr beklagen zu müssen. Dies mag im ersten Moment nur eine Utopie sein, der man sich bestenfalls annähern kann. Doch allein, dass man sich weltweit bemüht, dieses Ziel gemeinsam zu verfolgen, ist beachtlich und durchaus mit Erfolgen verbunden. So konnte Szabolcs Schmidt als Vertreter der Europäischen Kommission darauf verweisen, dass die Zahl der Unfalltoten in der EU seit Beginn des Jahrtausends von rund 54000 auf nun noch 25 000 im Jahr 2015 mehr als halbiert werden konnte. Wie viele andere seiner Kollegen verwies auch er auf das große Potenzial vernetzter Fahrzeuge mit steigendem Automatisierungsgrad für die Verkehrssicherheit. Er erläuterte in diesem Zusammenhang die Pläne der EU hinsichtlich einer intensiven grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zur Einführung und Nutzung automatisierter Fahrzeuge und der damit verbundenen Herausforderungen, die in der aktuellen Erklärung von Amsterdam niedergelegt sind, die im April 2016 unterzeichnet wurde.

Die Direktorin der Spanischen Verkehrsbehörde (DGT), María Seguí, machte darauf aufmerksam, dass durch die neuen technischen Systeme in Autos gerade eine ganz neue auszubildende “Jugend” entsteht, nämlich in Form von Menschen, die schon seit mehr als 10 Jahren im Besitz des Führerscheins sind und nun ein “update” brauchen, um überhaupt die aktuellen Fahrzeuge bedienen zu können. Ebenfalls machte sie deutlich, dass sich die Fahrausbildung mit seinen technisch-mechanischen Ansätzen wie dem Umgang mit Schaltung und Kupplung verschieben wird hin zu einer sozial orientierten Ausbildung, in der Kommunikation und das Verständnis der menschlichen Abläufe im Verkehr eine wesentlich größere Rolle spielen werden.

Vor einer zu euphorischen Haltung bezüglich der Einführung vollends autonomer Fahrzeuge, die auf keinen menschlichen Fahrer mehr angewiesen sind, warnte allerdings der Philosoph Charles Johnson aus England. In seinem Vortrag zeigte er auf, dass es derzeit bis auf wenige Ausnahmen weder im Flug-, noch im Schiffs- oder Zugverkehr autonom agierende Einheiten gibt. Dabei sei neben mancher technischer und rechtlicher Schwierigkeiten vor allem der letzte Schritt von hochautomatisierten zu autonomen Systemen entgegen der landläufigen Meinung extrem kostenintensiv. Die gebotene technische Sicherheit und Verlässlichkeit für autonome Systeme sowie die Errichtung dafür nötiger Infrastruktur sei wesentlich teurer als gemeinhin angenommen und somit der Einsatz von menschlichen Piloten, Kapitänen und Fahrern günstiger. Bei allen Verkehrsträgern mit hohem Automatisierungsgrad habe sich zudem gezeigt, dass die Übernahme der Kontrolle durch den Menschen in Notsituationen mit dem Problem behaftet ist, dass der Mensch in solchen Fällen oft nicht mehr in der Lage ist, schnell zu reagieren und eine Situation in angemessener Zeit zu überblicken. Dies ist gerade mit Blick auf die
Komplexität des Straßenverkehrs von Bedeutung, in dem oft sehr kurze Rektionszeiten in solchen Momenten notwendig sind, wenn ein System einen Fehler aufweist oder begeht und der Mensch die Steuerung wieder selbst übernehmen muss. Trotz dieser etwas vorsichtigeren Einschätzung mit Blick auf die künftige Entwicklung unserer Autos zeigten sich die Teilnehmer des Kongresses zuversichtlich, dass es mithilfe der Fahrassistenten gelingen wird, einen wesentlichen Beitrag zur Verkehrssicherheit zu leisten, zumal 90% des Unfallgeschehens auf menschliches Versagen zurückzuführen ist.

 

im voll besetzten Saal herrschte großes Interesse an den aktuellen Entwicklungen
im voll besetzten Saal herrschte großes Interesse an den aktuellen Entwicklungen

In den Ausführungen von Peter Morsink aus den Niederlanden wurde weiterhin deutlich, dass zwar die unterschiedlichsten Assistenzsysteme längst in den Autos verbaut werden, es aber immer noch völlig unklar ist, wie die Fahrzeugführer mit diesen vertraut gemacht werden sollen, sei es in der Fahrausbildung oder bei erfahrenen Fahrern. Er selbst berichtete über seine Studie mit einer überschaubaren Anzahl an Teilnehmern über die Verwendung des Toten Winkel Assistenten sowie dem Abstandsregeltempomat, bei der sich verkürzt gesagt gezeigt hat, dass ersterer als sinnvolle Einrichtung zu mehr Sicherheit angesehen wird, während zweiterer eher als entbehrbares Luxuselement angesehen wird. Offensichtlich haben Wissenschaft und Fahrlehrerschaft hier noch einen weiten Weg vor sich, wenn es darum geht, die Einführung der Fahrassistenzsysteme zu begleiten.

Ohne an dieser Stelle auf alle Vorträge eingehen zu können, ist jedoch abschließend sehr positiv festzuhalten, dass es über den ganzen Planeten verteilt zum Teil massive Anstrengungen gibt, grenzüberschreitend auf die Vision Zero hinzuarbeiten. Dabei ist dies nicht allein Aufgabe von Behörden und Gesetzgebern, sondern insbesondere auch von gut ausgebildeten Fahrlehrern, die es in der Hand haben, ganz direkt und in der Praxis sich dieser Vision mit ihren Schülern zu nähern. Die Organisation Cieca sorgt dabei sinnvollerweise für einen Austausch der Nationen untereinander, um voneinander lernen zu können.

Sascha Fiek
Letzte Artikel von Sascha Fiek (Alle anzeigen)
Autor

Gründer des Blogs Fahrlehrerwelt, Fahrlehrer aller Klassen und Geschäftsführer der ACADEMY Fahrschule Fiek GmbH in Freiburg. Er betreibt auch einen persönlichen Blog unter www.saschafiek.de.

Einen Kommentar verfassen